Jede Kultur weltweit hat einen Glauben an Naturwesen, ganz besonders naturverbundene Völker. Die meisten Quellen findet man in der keltischen sowie nordischen und skandinavischen Spiritualität. Es existiert eine Vielzahl an Bezeichnungen für die unterschiedlichsten Wesen, die hier gar nicht alle angeführt werden könnten. Und man kann sich vorstellen, dass auch dazugehörende Märchen und Sagen zu diesen Wesen entstanden.
Ich selbst bereise seit einigen Jahren den Nordwesten Europas und beschäftige mich dadurch hauptsächlich mit den Naturgeistern, die dort zu finden sind. Die abgeschieden lebende Landbevölkerung in Island, Schottland und Irland lebt noch heute in guter Nachbarschaft mit den Wesen der Anderswelt. Während in Irland der Leprechaun und in Schottland Selkies, Kelpies oder Nessie anzutreffen sind, tauchen in Island beispielsweise das Hulduvolk oder Isländische Trolle auf. Von meinen Reisen bringe ich dann stets eine große Auswahl an Märchen- und Sagenbüchern mit nach Hause, um noch tiefer einzutauchen in die Welt der Naturwesen und um Nachforschungen anzustellen.
Im deutschsprachigen Raum sind wiederum ganz andere Fabelwesen bekannt: Rübezahl, die Heinzelmännchen oder der Butzemann. Häufig tauchen die Wilden Frauen oder Salinger Fräulein in Erzählungen auf. In Frankreich würde man diese weisen Frauen als Dames Blanches bezeichnen. In meiner Heimat in Kärnten (Österreich) gibt es Sagen über Riesen, Wassermänner und Nixen. Ganz besonders beliebt ist hierzulande der Lindwurm, ein dem Drachen ähnliches ungeflügeltes Wesen. Dazu nun ein kurzer Ausschnitt aus dem Buch Kärntner Sagen von Wilhelm Kuehs:
"(…) Entstanden war der Lindwurm aus einem Hahnenei. Ein siebenjähriger Haushahn legte eines Tages ein rotes Ei in den Misthaufen. Dort lag das Ei drei Jahre lang und wurde von der Wärme des Mists ausgebrütet. Ein kleiner Lindwurm, nicht größer als die Hand eines Kindes, schlüpfte und wuselte über die Wiese und über die Hänge zum nächsten See. Zuerst fraß der Lindwurm Käfer und Larven, Kaulquappen und kleine Fische. Als er größer wurde, stellte er den Forellen nach, und bald machte er Jagd auf Murmeltiere und Schneehasen. Zu dieser Zeit bemerkten die ersten Senner und Mägde, dass in dem Bergsee etwas Seltsames vor sich ging. (…) Ein Jäger legte sich auf die Lauer und staunte nicht schlecht, als statt eines Wolfes ein Lindwurm aus dem Gebüsch kroch und sich auf die angebundene Ziege stürzte. Vor Schreck vergaß der Jäger aufs Schießen, ja er bekam solche Angst, dass er seine Flinte wegwarf und so schnell den Berg hinunterlief wie noch nie zuvor. (…)"