Riesen UND Trolle in märchen und sagen

RIESEN

Als menschenähnliche, große und mächtige Wesen verkörpern Riesen die unbändigen Naturkräfte. Sie tauchen in vielen Erzählungen, Mythen, Sagen und Märchen auf. In der griechischen (8.-7. Jhdt. v. Chr.) und germanischen (98 n. Chr.) Mythologie wird schon sehr früh von ihnen berichtet, während die erste schriftliche Aufzeichnung vom Riesen Rübezahl aus dem Jahr 1576 stammt. Carl Hauptmann berichtet von dem Berggeist des Riesengebirges.

Auch bei den Brüdern Grimm tauchen zwischen 1812 und 1850 Riesen in einigen Märchen auf: Das tapfere Schneiderlein (1812), Der junge Riese (1815), Der Königssohn, der sich vor nichts fürchtet (1815), Der König vom goldenen Berg (1815), Die Rabe (1815), Die Boten des Todes (1840), Der Riese und der Schneider (1843), Der gelernte Jäger (1815), Der Trommler (1843), Die Kristallkugel (1850) und Ferenand getrü und Ferenand ungetrü (1815).

Ebenfalls reich an Geschichten über Riesen ist der Alpenraum (z.B. Schweiz, Vorarlberg, Berchtesgadener Land). Das hat größtenteils mit den Bergen zu tun, die oft Sagengestalten besonderer Größe zugeordnet werden und mit den Naturgewalten wie Lawinen oder Steinschlag. Für schlimmes Wetter und enorme Naturkräfte wurden oft Riesen verantwortlich gemacht. Mir persönlich gefällt die Sage vom Mirnock Riesen in Kärnten (Österreich), der einen Stein in einen See geworfen und diesen dadurch in zwei Seen geteilt haben soll. Die Sage aus dem Kärntner Sagenbuch von Matthias Maierbrugger heißt "Der Riese vom Mirnock":

 

"(…) Vor vielen Jahren war auch dieser Berg ein Nock mit runder Kuppe. Doch ein mächtiger Riese, der in einer Felsenhöhle unter der Kuppe des Mirnocks hauste, hat diesen stolzen Gipfel zum Absturz gebracht. Als der Mirnock noch seine hohe Kuppe trug, gab es an seinem Fuß im Gegendtal nur einen einzigen großen See; der Brennsee und der Afritzer See waren noch nicht voneinander getrennt. (…) In einer Hütte reifte eine blauäugige und blonde Fischerstochter zum schönsten Mädchen des Tales heran. (…) "Die muss ich haben! Die und keine andere!" (…) Mit wenigen Sprüngen war der Riese am See, ergriff das Mädchen und zerrte es auf den Berg. (…) Der Fischer erzählte dem Weiblein sein Leid. (…) "Ich vermag euch zu helfen", bot sich das Waldweiblein an. "Ich kenne eine Schwäche des Riesen. Er liebt meinen Kräuterschnaps, den ich selbst bereite. Ich geb Euch davon eine Flasche voll mit." (…) Als der Fischer unter dem Geröll auftauchte, streckte der Riese seine klobigen Hände nach ihm aus. Dieser aber schwenkte die Flasche gegen den Riesen. (…) Nun haschte der Riese nach der Flasche. Mit einem einzigen Zug gurgelte er den Rauschtrank durch den Schlund. (…) Der Riese schlief ein. (…) Erst am nächsten Morgen erwachte der Riese aus seinem betäubenden Rausch. (…) Mit seinen sehnigen Riesenfäusten packte er die Kuppe des Mirnocks und schüttelte sie derart heftig, dass sie in Stücke sprang. (…) Die Felsen aber stürzten mitten in den großen See und teilten das friedliche Wasser in zwei kleine Seen. (…)"

 

TROLLE

Trolle sind nichts anderes als Riesen der nordischen Mythologie, die in den nordischen Ländern Europas (z.B. Skandinavien) zu Hause sind. Aber nirgendwo auf der Welt gibt es so viele merkwürdige Fels- und Steinformationen wie in Island. Das soll daran liegen, dass die ersten Menschen sehr spät Island besiedelten (um 900 n.Chr.) und die Trolle davor jahrtausendelang ungehindert über Berge, Täler, Felsen und Schluchten wandern konnten. Heute können unzählige in der Landschaft herumstehende Steintrolle mithilfe einer Karte besichtigt werden. Viele Geschichten und Mythen berichten außerdem von Nachttrollen, die beim Heimweg von der aufgehenden Sonne überrascht und zu Stein wurden. Brian Pilkington schreibt in seinem Buch "Isländische Trolle" über diese versteinerten Trolle und wo sie zu finden sind:

 

"Vor Vik im Tal Myrdalur ragen die Felsen Reynisdrangar aus dem Meer. Es sieht aus, als wollte ein Troll einen Dreimaster an Land ziehen, aber weil er von der aufgehenden Sonne überrascht wurde, konnte er sein Ziel nicht erreichen und mußte zu Stein werden."

 

"Einmal vor langer Zeit trieb ein Trollehepaar seine Kuh über den Fjord Skagafjördur, unterwegs wurde es aber von der aufgehenden Sonne überrascht. Immer noch kann man sehen, wie das Trollweib hinter der Kuh herlief, der Mann aber scheint ertrunken zu sein. Die Kuh wurde zur Felseninsel Drangey, lange Zeit Milchkuh oder Vorratskammer von Skagafjördur genannt, weil die Leute zu ihr hinausruderten, um sich mit Eiern und Vogelfleisch einzudecken."

Versteinerter Troll bei Hvitserkur auf der Halbinsel Vatnsnes (Island)